1.09.2011

Kapitel 11: Das Haus am Strand

Endlich sind sie wieder unterwegs zu ihrem Strandplatz. Inzwischen kommt Lisa der Weg über den Kniepsand schon viel, viel kürzer vor. Es kann gar nicht schnell genug gehen. Inzwischen weiß sie ja auch, wo es hingeht.

Ein dunkler Punkt auf dem Sand gibt die Richtung vor. Jedes Mal, wenn sie wieder eine kleine Erhebung hochgeklettert ist, versucht sie ihn zu erspähen. Neben ihr blinzeln Linus und Marie um die Wette in die Sonne. Auch sie suchen das Holzlager. Keiner der drei kann es erwarten, der erste am Bauplatz zu sein. Immer wieder müssen sie die Großen antreiben. Die sind ja so langsam. Anna kann kaum Schritt halten. Aber hintendrein kommen noch Howard und Lausebär, die den schwer beladenen Bollerwagen über die kleinen Sanddünen ziehen müssen. Weil sie längst gemerkt haben, dass jede Anhöhe in dem weichen Sand unglaublich viel Kraft kostet, versuchen sie in den Tälern zu bleiben, wo der Sand fester ist. Die Schlangenlinien, die sie dadurch fahren, machen den Weg nicht kürzer. Linus läuft zur zurück, um die beiden anzufeuern. Als sie ihm vorschlagen wollen, mitzuziehen, ist er aber schon längst wieder weg. Sonst sind die kleinen Schwestern doch die Ersten.

Die anderen haben schon Pause gemacht, als Howard und Lausebär mit dem Bollerwagen ankommen. Die kleinen Bären sind schon wieder fit und wollen wissen, wie es weitergeht. Die Hütte aufbauen, ganz schnell. Sie sind schwer enttäuscht, dass Howard und Lausbär erst in Ruhe vorbereiten und sortieren wollen.

Die beiden beginnen damit, dass sie das Holz auseinanderziehen. Gestern haben die Bären ihre Funde wild durcheinander zu einem großen Haufen zusammengestellt. Umso höher und eindrucksvoller, umso besser. Jetzt legen Lausebär und Howard alle Hölzer nebeneinander. Dann betten sie einzelne Latten um. Stück für Stück. Schließlich liegen auf der einen Seite alle langen und dicken Bretter und der Kleinkram auf der anderen. Nachdem die kleinen Bären die Ordnung verstanden haben, helfen sie eifrig mit. Nur Linus besteht darauf, die Bretter nach Wichtigkeit aufreihen zu wollen. Und seine Fundstücke sollten zu Anfang liegen.

Anna würde gern mithelfen, aber die Vorräte aus dem Bollerwagen müssen zusammengesucht und im Sand gesichert werden, damit sie weder zuwehen noch davonfliegen. Auch der im Sand vergrabene Proviant und die Werkzeuge müssen wieder ausgebuddelt werden. Die anderen fragen, warum Anna ein Loch gräbt. Als sie wissen, dass es nur um die Sachen von gestern geht, darf Anna allein weitermachen. Aber morgen ist jemand anderes dran.

Endlich liegen alle Bretter mehr oder weniger wichtig in einer Reihe im Sand. Jetzt wird aber schnell die Hütte gebaut, oder.

Nun beinahe, denn Howard und Lausebär wollen erst noch das Werkzeug auspacken und bereit legen. Alles wird aus dem Bollerwagen geholt und zu den von Anna ausgegrabenen Gerätschaften gepackt. Dann wird es ausgiebig begutachtet. Dazu legen sie jedes Stück sorgfältig ausgerichtet auf eine ausgebreitete Decke.

„Seid ihr bald fertig?“ Lisa versteht nicht, dass diese langwierige Vorbereitung für die beiden großen Bären schon die erste Freude am Hüttenbau ist. Mit jedem Teil steigt ihre Erregung, wenn sie sich vorstellen, was sie mit dem einzelnen Werkzeug bauen können.

„Fast, jetzt fehlen nur noch die Heringe.“

„Das sind doch keine Werkzeuge!“

„Die werden in den Boden getrieben, damit wir daran Spannseile befestigen können. Ohne Heringe fällt die ganze Hütte um wie ein Kartenhaus.“

„Wir hauen Fische in den Sand, iihh!,“ Lisa rümpft die Nase. „Die sind doch weich und glitschig.“ „Und stinken,“ ergänzt Linus.

Doch die Heringe, die Howard aus einem Leinenbeutel zieht, sind lange Nägel aus Metall. Sie haben unten eine Spitze und oben eine Öse. „Das sollen Heringe sein?“ Lisa sieht das Ganze als einen weiteren Beweis, dass die Küstenbewohner eine merkwürdige Geheimsprache erfunden haben, die sie verwirren soll.

„Aber jetzt geht es doch los!“ drängt die kleine Bärin.

„Jetzt geht´s los! Jetzt geht´s los!“ echoet die kleinere Marie.

„Ja, jetzt machen wir einen Plan!“ Howard grinst von einem Ohr zum anderen. Einen Plan machen zu können, ist noch aufregender als das Sortieren der Werkzeuge. Das sehen kleine, ungeduldige Bären ganz anders.

„Was ist denn das für ein Plan?“

„Ein Plan zeigt uns, wie die Hütte später aussehen soll,“ erklärt Lausebär. „Ein Plan hilft bei der richtigen Reihenfolge der Schritte und wir vermeiden Fehler.“

„Wir wollen aber so anfangen.“ Die Kleinen protestieren. „Einfach Drauflosbauen ist viel spannender.“

„Jetzt geht´s los! Jetzt geht´s los!“ Marie wird lauter. Und Lisa nöhlt:

„Ist doch doof, wenn man schon vorher weiß, wie es aussieht.“

„Wir machen einen Plan!“ Die beiden Jungen lassen sich ihren Spaß nicht verderben. Lausebär nimmt einen langen Stock und beginnt Striche in den Sand zu ziehen. Die ersten liegen alle nebeneinander und berühren sich nicht. Dann zeichnet er Querstriche, die die anderen verbinden. Als sich alle neben Lausebär stellen, erkennen sie langsam eine Hütte. Howard steht am Holz und vergleicht Lausebärs Striche mit den vorhandenen Latten und Brettern. Einige Striche muss Lausebär ändern, weil Howard kein passendes Holz findet. Lisa und Linus finden das Spiel doch gar nicht so schlecht. Lisa kneift die Augen zu und blinzelt, um sich in den Strichen besser eine Hütte vorstellen zu können. Für Linus ist das Alles noch viel zu lahm. Da muss ein Hochsitz her und eine Aussichtsplattform. Marie hat ein kurzes Hölzchen genommen und zeichnet für die Hütten Blumen in den Sand. Und Vögel. Die brauchen aber ein Vogelhaus. Dann will Lisa für Kaninchen auch ein Zimmer und mehr Fenster mit Vorhängen. Aber nicht auf dem Enterdeck. Das ist für Piraten und hat kein Weiberkram. Linus hat auch einen Stock gegriffen und ergänzt Lausebärs Hütte mit wilden zackigen Auswüchsen.

„Da müssen wir erst noch mehr Holz sammeln.“ Lausebär bremst die ausufernden Ideen der Drei. „Im Moment reicht es gerade für eine einfache Hütte mit einem Fenster und Dach.“ Er macht eine bedeutungsvolle Pause: „Und einen Fahnenmasten.“

„Das ist ja langweilig.“ Kleine Bärenmundwinkel hängen nach unten. „Dafür brauchen wir keinen Plan.“ Linus und Lisa stapfen mit den Füßen auf dem Boden. Und noch mal, damit es eindrucksvoller wird. „Nie wird gemacht, was wir wollen.“ Marie stapft jetzt mit. „Ihr seid blöd.“

Auch Anna hat einige Ideen für die Hütte. Aber während kleine Bären keine Zeit haben, hält sie sich zurück. Sie kennt die beiden Jungen und weiß, dass sie im Moment „ihr Ding durchziehen“ wollen. Sie kann warten und rechtzeitig in den kommenden Tagen dafür sorgen, dass die Strandbutze ein paar praktische Einrichtungen bekommt. Nur schade, wie wenig Lausebär und Howard auf die Wünsche der Kleinen Rücksicht nehmen.

Deshalb können die beiden Hüttenbauer auch alleine die Löcher für die Hüttenpfosten graben. Wenn sie schon nicht mitreden dürfen, haben Lisa, Linus und Marie auch keine Lust zu helfen. Nicht das Lausebär und Howard darüber richtig böse wären. Sie suchen die nächste Erhebung und fangen an, den ersten senkrechten Pfahl zu setzen. Wenn die ein Loch buddeln, können das Linus und Marie erst recht. Sie setzen sich daneben und beginnen, eine Sandburg zu bauen.

Beide buddeln mit Kinderschaufel und Pfoten wie die Weltmeister. Der Berg zwischen ihnen wächst schnell. Leider rutscht er auch schnell wieder in sich zusammen, weil Marie am Liebsten Zuckersand einbaut. Doch unter der feinen weißen Deckschicht wird der Sand schnell dunkel und feucht. Der hält so gut, dass man an die Gestaltung der Burg gehen kann. Ein Turm entsteht, ein Wehrgang wird angelegt und eine Zufahrt in den Sand geebnet. Damit der Burggraben vollständig um die Burg führt, wird in die Rampe eine Öffnung gegraben.

Lisa und Kaninchen wollen auch mitspielen. Sie sollen ihre eigene Burg bauen. Dann kann man sich besuchen. Aber weil Anna nicht mithilft, sieht die Lisa-Burg doch blöd aus. Menno, das Schlappohr soll aber auf der guten Burg sitzen. Anna würde die gute Burg aber noch viel besser gefallen, wenn sie mit kleinen Muscheln geschmückt wäre. Kaninchen, das schon auf dem Turm thront, findet das auch. Lisa geht mit Anna auf Muschelsuche. Linus und Marie bauen inzwischen eine zweite Mauer um den Burggraben.

Die beiden Hüttenbauer haben den ersten Pfosten aufgestellt und ermitteln gerade den Abstand für den nächsten Pfahl. Wenn sie ihn zu dicht an den ersten setzen, wird die Hütte zu klein. Zu weit weg und das Tuch für die Wand reicht nicht. Sicherheitshalber messen die beiden die Entfernung noch mal in Schritten und legen den Querbalken bereit. Sie achten kaum auf die kleinen Bären, die für die größte Sandburg der Welt zwischen ihren Beinen umherwuseln. Da lernen Howard und Lausebär die Tücken des weichen Amrumsandes kennen.

Sie heben gerade das zweite Pfostenloch aus dem weichen Sand. Die beiden müssen einen weiten Trichter graben, weil immer wieder Material nachrutscht. Deshalb sehen sie nicht, wie Marie versucht am ersten Pfeiler hochzuklettern, damit sie einen besseren Blick auf ihre Burg bekommt. Linus gräbt inzwischen einen Tunnel. Jede Burg braucht einen Geheimgang. Und dieser wird so lang, das er auf der anderen Seite der Erde in Australien endet. Die Grabung wird jäh beendet, als Marie mit dem Pfosten in die Burg stürzt. Der Balken saust zwar knapp am weltbesten Tunnelbauer vorbei, aber Kaninchen hat weniger Glück. Es wird aber vom Burgfried gefegt und in den einstürzenden Mauern der stolzen Festung begraben.

Lausebär und Howard eilen sofort zu Hilfe, können aber bei zwei weinenden kleinen Bären nicht feststellen, ob jemand wirklich verletzt ist. Erst Anna, die mit Lisa sofort kehrtgemacht hat, kann klären, das alle zum Glück mit dem Schrecken davongekommen sind. Alle - außer Kaninchen.

Lisa vermisst das kleine Schlappohr. Es muss noch in der Burgruine unter dem umgestürzten Pfosten liegen. Sofort wird ein Bergungsteam gebildet und die Rettung läuft an. Die beiden großen Jungen heben den Balken beiseite und die kleinen Bären beginnen den Sand darunter zu durchwühlen.

Endlich legt Marie den Purzelschwanz frei und kurz darauf ist der ganze kleine Körper vorsichtig aus dem Sand gezogen. Lisa hüpft besorgt von einem Bein auf das andere. Geht es ihrer kleinen Freundin gut? Oder ist sie schwer verletzt? Was dauert so lange?

Nach eingehender Untersuchung verkündet Anna, Kaninchen hat nur eine leichte Gehirnerschütterung und braucht Ruhe. Sie legt ihm einen Kopfverband an und bettet es in das weiche Strandtuch im Bollerwagen. Dort liegt der kleine Patient im Schatten und wird eifrig umsorgt von einer erleichterten Lisa.

Inzwischen versuchen Howard und Lausebär Anna zu erklären, wie es zum Unglück kommen konnte. Eigentlich sind es nur ungünstige Umstände. Der Sand ist weich und eine Erhebung bietet weniger Halt. Sie könnten beim nächsten Mal tiefer graben und schnell die Balken untereinander sichern, bevor die kleinen Bären wieder draufsteigen. Dann hält das Gerüst das auch aus...

Anna will sich aber auf keine Einzelheiten einlassen. Bevor wirklich noch jemand erschlagen wird, müssen die beiden auf die nächste Minidüne umziehen und von vorne beginnen. Und gefälligst ein Auge auf die Kleinen haben.

Die haben keine Lust mehr, eine neue Burg zu bauen. Linus will nur den Tunnel nach Australien weitergraben. Aber Marie stapft laut singend auf den Burgresten herum, um sie weiter einzuebnen. Dadurch stürzt der frisch gebuddelte Gang immer wieder ein. Linus ist sauer. Er versucht seine blöde kleine Schwester von der Ruine zu schubsen. Bevor ein richtiger Streit entsteht, greift Anna lieber ein und überredet die beiden, mit ihr Holz suchen zu gehen. Dann könnte man eine viel schönere Hütte bauen, als Howard und Lausebär bis jetzt planen. Begeistert kommen Linus und Marie mit. Nur Lisa will lieber bei Kaninchen bleiben.

Eine Sanderhebung weiter entsteht das neue Holzgerüst. Erst die senkrechten Pfosten, diesmal mit ganz tiefen Fundamenten, die weit in den nassen Sand reichen. Und zur Sicherung nageln die beiden Jungen schnell Querlatten ein.

Kaninchen geht es schnell schon viel besser. Der Verband kann wieder ab.

Lisa holt ihr Kuscheltier aus dem Krankenlager und übt noch einmal die Rettung. Kaninchen wird bis zum Hals im Sand eingegraben, an den Ohren gerettet und wieder fast sandfrei geklopft. Und das Ganze wird zur Sicherheit noch mal wiederholt. Und jetzt?

Die kleine Bärin langweilt sich.

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